HC Empor Rostock

HC Empor Rostock

Die Handballweltreise geht los und wir besuchen den HC Empor Rostock

Es ist Montag der 10.08.20 und ich schließe die Tür zu meiner Wohnung. Das Auto ist startklar und los kann es gehen. Es ist ein mulmiges Gefühl den Schlüssel umzudrehen, den Motor zu starten und sich ein letztes mal zurück zu drehen. Dabei sehe ich nicht nur mein Hauseingang, sondern auch mein startklaren Kempar. (Kreative Wortneuschöpfung aus Camper (Van) und dem Kempa (Handball)) Mein altes und neues Zuhause auf einen Blick und die Gewissheit, dass ich so schnell nicht wiederkomme. Ich fahre los, um die Ecke und dann stelle ich fest, dass die Kameratasche noch oben im Hausflur liegt. „Typisch“, denke ich mir und bin schneller zurück als gedacht. Doch diesmal ist alles nur halb so emotional. Die Handballwelt Reise kann also starten.

Den ersten Besuch möchte ich dem HC Empor Rostock abstatten. Dort leitet Till Wiechers die sportlichen Geschicke des Handball 3. Ligisten und ich bin mit ihm gegen 17:30 verabredet. Pünktlich losgefahren bin ich, konnte direkt die erste typische Reiseerfahrung machen und mich in einer Vollsperrung auf der A24 wiederfinden. Na gut, dachte ich mir, nutze ich mal die Vorteile eines Wohnmobils und lege mich hinten ins Bett. Sehr angenehm. Schneller als gedacht ging es weiter zur Sporthalle Marienehe in Rostock.

Es ist schon etwas Besonderes, die Handballweltreise in der Halle zu starten, in der für vermeintlich jeden jungen Handballer in Ostdeutschland die Karriere mit dem Warnemünde Cup begann. Bereits als 8-Jähriger, also vor 20 Jahren, war ich dort auf dem Parkett unterwegs und lernte den Handballsport lieben. Doch nun nehme ich erstmal auf der Tribüne platz und beobachte die Geschehnisse. Till und seine Mannen sind fleißig am Trainieren und nach wenigen Aktionen ist das Fieber nach der langen coronafreien Handballzeit wieder da. Durch meine Verspätung bekomme ich zwar nur die letzten 20 Minuten mit, habe aber direkt gemerkt, dass ich hier einiges lernen kann. 

Nach dem Training begrüßt Till mich mit fröhlichem Blick und wir sprechen direkt über den Sport.

  • Was waren seine Trainingsziele?
  • Habe ich seine Kreisläuferstellung richtig verstanden?
  • War er zufrieden mit dem Training und
  • was hätte er nun rückblickend anders gemacht?

Ich bin direkt von dem Austausch mit einem anderen Trainer gepackt und innerliche Vorfreude auf die unzähligen Weiteren mit Trainern aus der ganzen Welt kommen in mir hoch.

Ich habe Till einmal für sein #EchteGewinner Projekt gratuliert und bin dadurch mit ihm in Kontakt gekommen. Wir hatten schon dort interessante Gespräche und mir war bewusst, dass ich Rostock als kurzen Stopp auf meiner Route haben möchte. Und nun sitzen wir anschließend an das Training draußen vor der Halle und unterhalten uns über Gott und die Welt. Wie neu und ungewohnt es ist, ein Social Media Format zu entwickeln, sich mit den unterschiedlichsten Plattformen auseinanderzusetzen und darüber Menschen auch noch eine halbwegs interessante und wichtige Botschaft zu vermitteln. Wir stellen fest, dass vor unserer Influencer-Karriere noch ein langer Weg liegt und wir die Arbeit in der Halle mit den Spielerinnen immer vorziehen würden.

Nach diesem langen Tag mit dem ersten Stop auf der Handballweltreise gibt es nur eine Sache zu bereuen: Dass ich auf der Couch bei meiner Cousine in Rostock und nicht am Hafen in meinem Kempar geschlafen habe.

Algorithmen im Handball, Emporkömmlinge auf Bundesliga Kurs und das erste Training mit Till

Am nächsten Morgen stehe ich früh auf, um pünktlich am Crossfit Center Motus zu sein. Dort trainieren die 3.Liga Männer des HC in der Saisonvorbereitung und gehen damit neue Wege. Till hat sich mit Eric Bill, einem ehemaligen Basketballer und Gewichtheber, Verstärkung ins Trainerteam geholt und damit die Aspekte des Krafttrainings verändert. Nun absolvieren die Jungs typische CrossFit Übungen, aber „immer mit Handballbezug“. Das Training lassen sie mit einem Klimmzug-Wettkampf enden. Die Trainingsgruppe wird in 2 Gruppen getrennt und welche als erstes 100 Klimmzüge schafft, gewinnt.

Till nimmt sich anschließend die Zeit und wir setzen uns in der Nähe vom Rostocker Zoo in eine Gaststätte. Wir haben ein langes Gespräch über diverse Möglichkeiten das Coaching im Spiel mit technischen und menschlichen Mitteln effizienter zu gestalten. Die hauptsächliche Idee ist, eine datengeschützte Entscheidungshilfe für den Trainer zu erstellen.

Algorithmen entscheiden bereits,

  • welchen Weg wir zur Arbeit nehmen,
  • welchen Gegenstand wir als nächstes kaufen oder
  • mit welchem Film wir abends einschlafen.

„Wieso sollte es nicht auch möglich sein, in der 58. Spielminute die höchste Wahrscheinlichkeit für den letzten erfolgreichen Spielzug auf das Tablet zu empfangen?“

Über handschriftliche Statistiken ist es bereits möglich, die Tore ihren Auslösehandlungen oder Isolationen zuzuordnen und dieses Wissen kann natürlich über unzählige vergangene Spiele erweitert werden. Aber die stabile Wahrscheinlichkeit, unter Stress, mit den letzten Geschehnissen das Spiel zu entscheiden, ist dem „Durchschnittstrainer“ häufig nicht vergönnt. Die Technik kann dort Abhilfe schaffen. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass wir in einem hoch emotionalen Sport unterwegs sind, also wie viele Fehlversuche würde die Menschlichkeit verzeihen, bis die Daten ausreichend stabil sind? Und wann würden die Abwehrreaktionen der anderen Trainer durch ihre eigenen Datenreihen die Angriffsentscheidungen egalisieren? In diesem Gespräch ist mir klar geworden, dass wir viel Gehirnschmalz dafür nutzen können, aber es über kurz oder lang einfach selbst ausprobieren müssen. Dieses Thema möchte ich aber jedenfalls verfolgen und auf meiner Reise weiter thematisieren.

Nach unserem langen privaten Dialog, bekomme ich Till noch vor die Kamera und kann ihm Fragen zum HCE und seiner Trainertätigkeit stellen. Der HCE ist ein Traditionsverein und hat in der Vergangenheit den deutschen und europäischen Handball geprägt. Doch nun befindet er sich in der 3. Liga wieder und stand bereits zweimal vor dem Aufstieg in die 2. Bundesliga, einmal hat Corona ein Kopf-an-Kopf Rennen verhindert und davor fehlte ein Tor nach einer langen Relegationsrunde. Nun ist Till 3 Jahre in Rostock tätig und hat seine Arbeit unter dem Motto „Gewinnen mit Charakter“ gestellt. Ihm ist eine gemeinschaftliche Wertvorstellung und Philosophie wichtiger als die nächste muskuläre Entwicklung. Deshalb möchte er seine Spieler immer in den idealen Leistungszustand bringen und sie dadurch auf die mentalen Schwierigkeiten und Stresssituationen vorbereiten. Input holt er sich für seine Arbeit sportartübergreifend von verschiedenen Trainern und passt dadurch nicht nur die Entwicklung der Spieler, sondern auch seine eigene an.

Für mich geht es nach einem kurzen Aufenthalt in der Gaststätte, bei dem ich ein Video zum Thema Sprungwurf über beide Beine hochgeladen habe, zurück in die Halle. Dort erwartet mich bereits Tristan Staat, der Jugendkoordinator und B-Jugendtrainer des HCE. Tristan habe ich in meiner letzten Saison als Trainer und somit in Spielsituationen kennengelernt. Wir haben uns über die Strukturen im Jugendbereich ausgetauscht und mussten feststellen, dass dem Rostocker Handball ein gute Zukunft bevorstehen kann. Denn über viele Grundschulprojekte von z.B. Karleen Hartmann hat sich die Nachwuchssituation schon quantitativ verbessert. Nun müssen die Strukturen mit Leben und Trainern gefüllt werden, um die jungen Emporkömmlinge auf ihren Weg zur 3. Liga Mannschaft zu begleiten. Nach unserem Gespräch steht das Training der A-Jugend an, welche sich auf die Jugendbundesliga Qualifikation vorbereitet (und diese erfolgreich beenden sollte) . Tristan arbeitet mit seinen Spielern an der individuellen Abwehr und zeigte ihnen die nötigen Absprachen untereinander auf. 

Im Anschluss hospitiere und filme ich das Training der 3. Liga Mannschaft. Vorher wurde mir aber deutlich, wie genau Till seinem Motto „Gewinnen mit Charakter“ Leben einhaucht. Regelmäßig werden vor dem Training in Teamrunden Wertvorstellungen der Spieler besprochen und über Diskussionen zu diversen Themen mit Inhalt gefüllt. So hat Till die Spieler über die Jordan Doku zum Führungsstil von Michael Jordan befragt und um ihre Einschätzung gebeten. Eine interessante Methodik um die unterschiedlichen Meinungen des Teams zu verstehen und auf die eigene Situation zu projizieren.

In der Halle wird sich dann gänzlich um das offensive Abwehrspiel gekümmert. 3 Dinge sind mir dabei besonders aufgefallen:

  1. Der methodische Aufbau von Till, welcher sich strikt an das Prinzip „Vom Einfachen zum Komplexen“ hält.
  2. Der klare Korrekturschwerpunkt auf das Trainingsziel „Abwehr“, so wurde der Angriff wenig bis gar nicht korrigiert und dadurch als freie Gegnerkomponente genutzt.
  3. Der Umgang mit dem Puls-Uhr System. Denn jeder Spieler hat beim Training ein Brustgurt mit Pulssensor, welcher die Beanspruchung und aktuelle individuelle Intensität zeitgenau auf dem Telefon des Trainers wiedergibt. Dadurch hat Till die Zeit genutzt, zwischen den einzelnen Aktionen eine Pause einzulegen, um seine Spieler aus dem roten Bereich zu bringen. Dies half zum einen dabei, das Verletzungsrisiko zu minimieren, aber auch die Aktionen ständig unter hoher Intensität zu trainieren. So wurde auch schonmal nach einem 2. Freiwurf der Mittelmann im selben Angriff gewechselt, um die Verletzungsgefahr zu senken und die Abwehr dem frischen Entscheider vorzusetzen. Eine sehr interessante und zukunftsfähige Art, mit der Technik zu arbeiten.

Emporkömmlinge beim Training unterstützt und die Geschäftsstelle erkundet

Für mich wartet am nächsten Morgen schon die analoge Arbeit auf dem Platz. Tristan hatte zum Frühtraining eine sehr große Gruppe und wollte über Kraft- und Wurf-Training eine Teilung vornehmen. Da nun der andere Trainer ausgefallen ist, übernehme ich sehr gerne die Gruppen beim Wurftraining, während Tristan sie im Kraftraum weiterentwickelt. Die Jungs haben mich schnell sehr gut aufgenommen und nach einer gemeinsamen Erwärmung über die Koordinationsleiter zum Einpassen und Torhüter einwerfen können wir die Gruppe positionsspezifisch aufteilen. Zu Beginn agierten die Rückraumspieler und zum Ende Außen und Kreis. Mir ist schnell aufgefallen, dass viele von ihnen eine extrem starke Besonderheit auf einem hohen Level haben, z.B. dem Schlagwurf übers falsche Bein, sie aber diese Waffe nicht situativ nutzten, sondern häufig unter Stress in ein Muster fallen. Ich gebe Ihnen allen mit, gerne mehr Zeit individuell nach dem Training die ausbaufähigen Techniken zu schärfen und den einzelnen Gegebenheiten im Training anzupassen.

Nach dem Training lädt mich Tristan noch zu einer gemeinsamen Frühstücksrunde in die Geschäftsstelle des HC Empor ein. Neben einem üppigen Müsli bleibt viel Zeit, um auch über die Begebenheiten im Handball in Mecklenburg-Vorpommern zu sprechen. Dort wird mir schnell klar, dass (wie so häufig auf der Welt) sich die unterschiedlichen Parteien gegenseitig am meisten im Weg stehen und über geordnete Strukturen MV natürlich in der Lage wäre, einen 2. Ligisten (jeweils Männer und Frauen) zu stellen und konstant erfolgreich in der Jugendbundesliga vertreten sein könnte. Ich werde die Entwicklungen natürlich weiterverfolgen, doch zu diesem Zeitpunkt endet meine Reise ins schöne Rostock mit einer Runde Boulder mit meiner Cousine und einer späten Reise nach Hamburg. Doch dazu erfahrt ihr im nächsten Blog mehr.