Oslo – Haslum HK / WANG / OIS

Oslo – Haslum HK / WANG / OIS

Es ist nun soweit. Die 1. Auslandsstation auf der Handballweltreise steht an. Es geht nach Norwegen, der im Frauen Bereich konstant dominanten und im Männerbereich aufsteigenden Handball Nation. Top Spieler wie Stine Oftedal und Sander Sagosen prägen das norwegische Handballverständnis und ich freue mich einzutauchen in ein Land, welches neben unendlich schöner Natur, auch ein komplexes gesellschaftliches Sportsystem für mich bereit hält.

Ankunft in Norwegen

Ich nehme von Dänemark – Hirtshals die Fähre am Dienstag den 25.08.2020 und freue mich darauf meine 2. Passkontrolle in diesen Corona bedingt turbulenten Zeiten überstanden zu haben. Ich bin in Norwegen! Yeah.

Es soll direkt nach Oslo gehen, eher gesagt nach Haslum, denn dort erwartete mich mit Viktor Glatthard ein Schweizer der in Norwegen Handball spielt. Mit Viktor habe ich mich bei Instagram connected und ihn direkt nach dem norwegischen Handball gefragt. Es war schon schön nach einigen Telefonaten direkt eine deutschsprachige Anlaufstelle in Oslo zu haben und die ersten Hallentüren im Ausland entspannt aufstoßen zu können. Ich fahre also direkt in die Haslum HK Arena und befinde mich nach einer schönen Autofahrt bei einem Top Klub in Norwegen. Ich nehme erstmal ohne Kamera auf der Tribüne platz und bin direkt von den Hallen und Anlagen begeistert.

Wie sich später herausstellen wird haben die meisten Arenen in Norwegen die Fläche von zwei Handballfeldern, welche dann zum Spielbetrieb mit Tribünen auf ein Feld verändert werden. Dadurch gibt es viele Trainingsmöglichkeiten und parallel zu den Haslum HK Männern trainieren die Frauen von Stabæk IF. Ich bemerke ebenfalls schnell, dass es in Norwegen häufig reine Frauen und Männer Vereine / Abteilungen in einer Stadt gibt. 

Mein erstes internationales Training ist dann schon sehr besonders. Ich verstehe die Ansagen des Trainers nicht und finde trotzdem relativ schnell heraus, dass Handball eine internationale Sprache ist. Es ist eine ruhige Traininings Atmosphäre, welche mit einem kräftigen „Heppaaa“ von Viktor unterbrochen wird, als er mich auf der Tribüne sitzen sieht und fröhlich begrüßt.

Nach dem Training schleift er mich direkt zu einer App Einführung mit den ortsansässigen Jugend Trainer:innen. Denn Viktor arbeitet an der Learn Handball App mit, welche Kinder und Jugendtrainer:innen mit Übungen und Trainingsplänen unterstützt. Bei der Einführung habe ich dann auch kurz die Möglichkeit mich und handball.inspires kurz auf englisch vorzustellen und ich merke, dass ich noch einen weiten sprachlichen Weg habe, um im internationalen Umgang zu punkten. Aber noch ist kein Meister vom „Sky gefallen“. 😉 Viktor zeigt und erklärt die Funktionsweisen der App und ich versuche sein durchaus vorzeigemäßiges Norwegisch zu verstehen und mich mit durch zu klicken. Meine erste Learn Handball Erfahrung ist gemacht und es sollte nicht die letzte sein. Doch dazu später mehr.

Wir fahren nun gemeinsam nach Oslo City und lernen uns in Ruhe kennen. Das größte Benefit habe ich dann aber direkt mit der Ankunft bei der Wohnung von Viktor bekommen. Die Nachbars Familie hatte noch einen freien Parkplatz auf dem Grundstück und so konnte ich den Kempar für meine Zeit in Oslo parken. Das klingt jetzt zwar nicht so spektakulär, wer aber mal versucht hat in Oslo – 500m vom Schloss einen kostengünstigen Parkplatz zu finden, der wird wissen welchen Jackpot ich da gerade gezogen hatte.

In der Wohnung begrüßte mich dann mit Nicolas Suter bereits der nächste Schweizer, welcher so wie ich seine ersten Schritte in Norwegen beim Haslum HK geht und uns ein leckeres Abendessen vorbereitet hatte. Ein langer erster Tag in Norwegen ging zu Ende und ich freute mich auf den morgigen, denn ich hatte mich kurzerhand an Viktors Hacken gebunden und wollte einmal direkt in den norwegischen Alltag eintauchen.

Zweitjobs für Profis & Taktik Training auf 2 Tore

Dieser startete dann aber auch mit 05:40 sehr früh. Denn Viktor wollte vor der Arbeit mit seinen Kumpels den nächsten Club des freien Denkens Podcast aufnehmen. Die Jungs waren verstreut in der halben Welt und trafen sich regelmäßig 1x im Monat, um in diesem Psychologie und Philosophie Podcast, über die großen Fragen und Themen des Lebens zu sprechen. Das heutige Thema war Negativität. Davon hatte ich bis jetzt in Oslo nichts wahrgenommen, denn wir sind mit einem Elektroroller morgens um 06:15 durch die Innenstadt von Oslo zum Learn Handball Büro gedüst und ich hatte bereits um 07:00 genug schöne Eindrücke für den Rest des Tages zu verarbeiten. Doch Zeit dafür blieb nicht. Denn nach dem Podcast lernte ich den CoWorking Space von Learn Handball und Atle Myrhol – dem Mitgründer kennen.

Am Nachmittag ging es zum Krafttraining beim Haslum HK und ich hatte die Möglichkeit mich mit dem Trainer Stan Stockfleth auszutauschen. Stan war ein ruhiger Zeitgenosse und arbeitete bereits viele Jahre bei Haslum. Er übernahm das Traineramt nach dem er zuvor die Jugendmannschaften und die 2. Mannschaft trainiert hatte. Er berichtete mir davon, dass viele Trainer:innen in der höchsten Liga Norwegens sich am Vormittag dem Training von Jugendspieler:innen in den Sportschulen widmen. Selbst Spieler:innen aus den Top4 Teams, haben dort nebenbei die Möglichkeit etwas dazuzuverdienen und ihr Wissen mit der nächsten Generation zu teilen. Es zeigt zum einen auf, woher die guten norwegischen Handballer:innen kommen, aber auch, dass es selbst als Profi in Norwegen nicht vollends finanziell reicht.

Am Wochenende steht das erste Saisonspiel an und ich darf im Laufe der Woche bei der Videovorbereitung mit dabei sein. Das Video wurde mit einem vorher rausgereichten Handout zum Matchplan unterfüttert. Für mich waren die Szenen extrem kurz geschnitten, sodass es schon sehr viel Konzentration und Vorwissen gebraucht hat, um die gezeigten Konstellationen zu verstehen. Beim Abschlusstraining wurde mir deutlich, wie die Norweger ihr Tempo- und Umschaltspiel, auch bei der taktischen Vorbereitung weiter trainieren. Denn sie spielen im 6:6 nicht auf ein Tor, sondern auf 2 mit 2 anschließenden Aktionen. Dadurch intensivieren sie zwar das Abschlusstraining, haben aber immer den realen Rückzug oder Gegenstoß in der Vorbereitung.

  • Von wo laufe ich nach der gespielten Handlung zurück?
  • Wen decke ich im Rückzug?
  • Wie sieht unser Gegenstoß Konzept aus?

Ein durchaus interessante Methodik, welche ich mit ins Repertoire aufnehmen werden.

Am Sonntag steht dann das erste Saisonspiel gegen Bækkelagets SK an. Das Spiel ist geprägt von viele Außenwürfen, hohem Tempospiel, einigen Wechselfehlern und wenig Zeitstrafen bzw. harten Abwehraktionen. Das Spiel gewinnt Haslum am Ende und ich habe viele Aktionen aus dem Training gesehen, welche sich natürlich klar im Spiel wieder gespiegelt haben. Die Corona Auflagen haben leider keine Zuschauer in die Halle gelassen, doch im Vergleich zu Deutschland wäre die Halle mit den Zuschauern und dem Spiel auf einem deutschen 2. Liga Niveau gewesen. Der Sieg wurde natürlich „gebührend“ beim Italiener gefeiert und ich habe mir in aller Euphorie eine Pizza für schmale 18€ geleistet. War aber schon lecker.

 

Private Sportschulen sind die Basis der Nachwuchsarbeit

Viel Zeit zum erholen blieb mir aber nicht, denn am Montag hatte ich das Vergnügen bei der WANG Topidrett Oslo – Sportschule beim Frühtraining dabei zu sein. Die WANG ist eine private Sportschule, die Kosten belaufen sich auf 400-500 €/Monat und sie bekommen Bewerbungen aus ganz Norwegen. Besonders die Mädchen sind sehr erfolgreich, da in der WANG wohl mehr als die Hälfte der Frauen Nationalmannschaft ausgebildet wurde – berichtet mir Vigdis Holmeset. Sie ist Trainerin an der WANG und bei einem Frauenmannschaft in der REMA1000 Liga und begrüßt mich fröhlich in der Halle. Dort treffen ich auch Anders Røe, den Kapitän vom Haslum HK wieder, er ist ebenfalls Lehrer und beim Frühtraining mit dabei. Die Theorie mit dem Nebenjob scheint stimmig zu sein.

Am Montag wird das Training in verschiedene Stationen aufgeteilt. Der Athletiktrainer arbeitet an der Koordination und Explosivität der Spieler:innen. Denn die Hallen in Norwegen sind häufig mit mehreren Feldern ausgestattet, sodass ich die Möglichkeit haben, auch das Jungen Training auf dem anderen Feld parallel wahrzunehmen. Während sich im Verlauf des Trainings bei den Mädchen mit Außen Würfen und Kreisläufer Kooperationen mit Rückraum die weiteren Stationen wieder finden. Die Inhalte sind hier sehr individuell und kooperativ gehalten.

Beim Training der Mädchen fällt mir direkt die riesige Trainingsgruppe auf. Es wird hier mit U17 / U19 zusammentrainiert und es ist vermutlich eine der besten Trainingsgruppen im weiblichen Bereich, die ich je gesehen habe. Die Ansagen der Trainer:innen sind kurz und knapp und die Spielerinnen haben eine hohe intrinsische Motivation das Training erfolgreich zu gestalten. Die körperliche Intensität ist nicht hoch und es wird vermehrt in Überzahl Konstellationen auf ein Tor trainiert. 

Auch in den kommenden Vormittagseinheiten bei WANG werde ich feststellen, dass es für Außenspieler unheimlich viele Würfe gibt und 1:1 Aktionen wenig trainiert werden. So erfahre ich:

dass es zu Beginn der norwegischen Philosophie zu erst darum geht, die Überzahl zu lösen.

Während wir in Deutschland zu erst das 1:1 im kleinen trainieren und dann Entscheidungen später mit heranführen. Bei den Außenwürfen erfolgen extrem wenig kritische Worte zu missglückten Trickwürfen und der generellen Wurfauswahl. Die Trainer:innen legen die Verantwortung in die Hände der Spieler:innen. Denn am Ende sind diese dafür verantwortlich eine hohe Quote vorzuweisen, um einen Vertrag zu erhalten bzw. noch viel wichtiger, so das Vertrauen auch in die Trickwürfe und deren Vielfalt zu bekommen. Denn diese sind auf Top Niveau unerlässlich geworden. Während ich in Deutschland noch viel zu viel mitbekommen, wie wir die Spielfreude unterbinden und nicht genügen Vertrauen bereitstellen.

Neben meinem Besuch bei der WANG bin ich die Woche auch bei der Otto Treider Idrett School – Oslo bei Patrick Braarud zu Gast. Patrick ist ein junger Trainer, welcher seine Ausbildung und sein Studium an der NIH – Norges idrettshøgskole in Oslo absolviert hat und nun das Handball Programm dort leitet. Die OIS – Oslo Idretts Senter (Otto Treider) ist ebenfalls eine Privatschule und hat viele Spieler aus der Region Ost-Oslo, dadurch rekrutiert sie sich lokaler als WANG und ist dementsprechend nicht so breit aufgestellt. Patrick zeigt mir im Training sehr schön wie er passiv die Übungen steuert, in dem er z.B. die Räume verändert. Dadurch gibt er den Spieler:innen wenig direktes Lob oder Kritik, sondern korrigiert eher oder schafft Erfahrungen. Ich finde diese Methode extrem förderlich für die Entwicklung von jungen Spieler:innen, da sie dadurch selbstständig ihren Weg gehen und sich nicht so stark auf die Trainer:innen konzentrieren oder festhalten.

Meine ersten Tage in Oslo waren vollgepackt mit Emotionen und Erfahrungen und Patrick hatte mich direkt eingeladen ihn bei seiner Trainer und Koordinator Tätigkeit in Moss zu besuchen. Dort sollte ich Igor kennenlernen und wenige Tage später mit Robert Hedin am Tisch in Asker sitzen. Doch über den weiteren Weg nach Tønsberg und meinem ersten Spiel als Co-Trainer in Norwegens 2. Liga bei Nøtterøy Handball erfahrt ihr im nächsten Blog mehr…